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Nikolai Bersarin, der erste sowjetische Stadtkommandant von Berlin

An der Kreuzung der Straßen Am Tierpark und Alfred-Kowalke-Straße befindet sich ein bescheidener Gedenkstein mit einer Tafel, die darauf hinweist, dass hier am 16. Juni 1945 Nikolai Erastowitsch Bersarin, der erste sowjetische Stadtkommandant von Berlin und Ehrenbürger der Stadt, ums Leben kam.

Der 40-jährige General wurde am 21. April 1945 zum Stadtkommandanten von Berlin ernannt, noch bevor die Stadt vollständig von der Roten Armee eingenommen wurde. Sein erster Befehl vom 28. April übertrug die Macht in der Stadt auf die sowjetische Kommandantur, forderte die Wiederaufnahme der Arbeit in Unternehmen, die Versorgung der Bevölkerung und die Wiederherstellung der städtischen Infrastruktur. Eine Ausgangssperre wurde verhängt, und den Soldaten der Roten Armee wurden unautorisierte Handlungen untersagt. Bersarins Hauptziel war es, die Lebensbedingungen für die Zivilbevölkerung zu schaffen und Gewalt zu verhindern.

In den ersten Wochen nach dem Krieg koordinierte Bersarin persönlich wichtige Projekte: die Wiedereröffnung von Schulen, die Schaffung einer städtischen Polizei, die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln sowie die Wiederherstellung der Versorgungsinfrastruktur. Am 12. Mai versammelte er die Bezirksbürgermeister zu einer Sitzung, begrüßte sie mit einem Handschlag und betonte die Notwendigkeit der Zusammenarbeit.

Am 16. Juni 1945 fuhr Bersarin zum ersten Mal mit einem ihm geschenkten Beutemotorrad vom Typ Zündapp KS 750. An der Kreuzung Schlossstraße—Wilhelmstraße versuchte er, die Straße vor einer Kolonne von Lastwagen zu überqueren, verlor jedoch die Kontrolle über das Fahrzeug und kollidierte mit einem der Lastwagen. Der General starb noch am Unfallort. Mit ihm kam sein Adjutant ums Leben. Diese Version wurde offiziell bekannt gegeben.

Es gibt jedoch alternative Versionen. Laut Aussagen von Augenzeugen gab es keine Lastwagenkolonne: Bersarins Motorrad prallte mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Bordstein, und der General erlitt dabei tödliche Verletzungen. Außerdem wurde berichtet, dass in seinem Blut Spuren von Alkohol nachgewiesen wurden. Einige spekulierten sogar über ein mögliches vorsätzliches Attentat, doch es gibt keine stichhaltigen Beweise dafür.

1975 wurde Bersarin posthum zum Ehrenbürger von Ost-Berlin erklärt, in Anerkennung seiner Verdienste um den Wiederaufbau der Stadt. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde sein Name aus der Liste der Ehrenbürger gestrichen, was zu Kontroversen führte. 2003 stellte der Berliner Senat seinen Status als Ehrenbürger wieder her und würdigte seinen Beitrag zum Wiederaufbau der Stadt.