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Die Geschichte des Berliner Tierparks

In Berlin gibt es bekanntlich zwei Zoos: den ältesten, den Zoologischen Garten im Westen, und den flächenmäßig größten, den Tierpark im Osten. Heute erzählen wir Ihnen von Letzterem – dem Tierpark im Osten Berlins.
Nach der Teilung Berlins und der Gründung zweier deutscher Staaten beschlossen die Behörden der DDR, einen Zoo zu schaffen, der mit dem in West-Berlin konkurrieren konnte. Zum Direktor des neuen Projekts wurde Heinrich Dathe ernannt, der zuvor im Zoo Leipzig tätig war. Der Aufbau begann von Grund auf: Für den Zoo wurde ein 60 Hektar großes Gelände in Friedrichsfelde bereitgestellt. Die ersten Tiere kamen als Geschenke aus anderen Städten: ein Tiger aus Moskau, ein Wisent aus München und ein Maral aus Leningrad. Diese Tiere wurden die ersten ständigen Bewohner des Zoos.
Im Laufe der Zeit wuchs die Zahl der Tiere, und die Fläche des Tierparks erweiterte sich auf beeindruckende 160 Hektar. Heinrich Dathe erwies sich nicht nur als talentierter Leiter, sondern auch als Visionär. Statt eines traditionellen Zoos mit Käfigen schlug er die Idee eines Landschaftsparks vor, in dem die Tiere in geräumigen Gehegen lebten. Sie waren durch natürliche Barrieren von den Besuchern getrennt, wodurch der Eindruck entstand, es gebe keine Hindernisse. So konnte man beispielsweise einen Tiger in wenigen Metern Entfernung hinter einem Gebüsch beobachten, hinter dem jedoch ein tiefer Graben und spezielle Konstruktionen verborgen waren, die ein Entkommen des Tieres unmöglich machten.

Ein Meilenstein: Die weiße Panda Chi-Chi

1958 wurde in China eine weiße Panda namens Chi-Chi gefangen. Sie sollte an einen westlichen Zoo verkauft werden und machte auf ihrem langen Weg Station in verschiedenen Städten. Eigentlich war ein kurzer Aufenthalt im Zoo von West-Berlin geplant, doch Heinrich Dathe setzte durch, dass Chi-Chi in der DDR-Hauptstadt untergebracht wurde – und das nicht für ein paar Tage, sondern für zwei Wochen. Tausende Berliner kamen, um die Panda zu bewundern.
Ein Problem war jedoch die Ernährung der Panda, da Bambus in Berlin nicht wuchs. Stattdessen wurde Chi-Chi mit einer Mischung aus Reis, Eiern, Äpfeln, Orangen, Karotten und anderem Gemüse gefüttert, was sie akzeptierte. Interessanterweise waren Lebensmittelkarten in der DDR 1958 noch nicht vollständig abgeschafft, und solche Speisen galten als Luxus. Nach ihrem Aufenthalt in Berlin reiste Chi-Chi nach London weiter, wo sie zur Lieblingstier der Briten wurde. Ihr Bild wurde vom WWF-Gründer Peter Scott als Symbol für die Organisation vorgeschlagen. Chi-Chi ist bis heute auf dem Logo des WWF zu sehen.
Heute leben wieder Pandas in Berliner Zoos, und ihr Lieblingsbambus ist stets verfügbar.

Die Geschichte einer Flucht

In den 1960er-Jahren, als die Berliner Mauer die Stadt endgültig teilte, suchten viele Menschen nach kreativen Wegen, die DDR zu verlassen. Einer dieser Fälle ist mit Gerd Morgen verbunden, einem Mitarbeiter der Quarantänestation des Tierparks.
Nachdem legale Ausreisemöglichkeiten unmöglich wurden, entschied sich Morgen, mit einem der Tiere zu fliehen, die durch den Tierpark in andere Länder transportiert wurden. Doch die Wahl des „Reisegefährten“ stellte sich als schwierig heraus. Weder mit einem polnischen Bären noch mit einer Bärin wollte er reisen. Erst nach Monaten des Wartens traf eine Elchkuh aus Russland ein. Morgen veranlasste, aus angeblichen hygienischen Gründen eine zusätzliche Kiste in ihrem Gehege zu platzieren. Er versteckte sich darin und gelangte so unbemerkt über die Grenze.
Später fand er Arbeit im Zoo Basel, während Heinrich Dathe sich vor der Stasi rechtfertigen musste, dass er mit der Flucht nichts zu tun hatte.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands und Berlins erklärten einige Politiker, dass die Stadt keine zwei Zoos benötige, und schlugen sogar vor, den Tierpark zu schließen. Zum Glück hat die Vernunft gesiegt. Der Tierpark erfreut weiterhin die Berliner. Heute beherbergt er Tausende von Tieren verschiedenster Arten und zieht jährlich Millionen von Besuchern zu jeder Jahreszeit an.
Der Tierpark ist nicht nur ein Ort, an dem man faszinierende Tiere sehen kann, sondern auch ein bedeutender Teil der Berliner Geschichte.
2024-12-19 13:44