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Der geheimnisvolle Turm in Rummelsburg

Wenn Sie mit der S-Bahn in den Osten Berlins fahren, über Ostkreuz in Richtung Lichtenberg oder Karlshorst, achten Sie auf einen seltsamen Turm, der sich über den Häusern erhebt. Nein, wir sprechen nicht von dem wasserturmartigen Bau, der wie ein Pilz mit einem deutschen Stahlhelm in der Nähe des Bahnhofs Ostkreuz aussieht. Dieser Turm ist kleiner, weiter vom Bahnhof entfernt und erinnert eher an die Überreste einer alten Burg im italienischen Stil.

Viele neugierige Stadtbewohner haben sich gefragt, was das für ein „Schloss“ ist, wer darin wohnt und wie man hineinkommen kann. Lassen Sie uns Ihre Neugier stillen.

Zunächst einmal: Das Bauwerk, das sich in der Nöldnerstraße 15 befindet, wurde 1908 errichtet und war nie ein Schloss. Weder Prinzessinnen noch Drachen haben dort je gelebt. Tatsächlich hatte das Gebäude eine rein funktionale Bestimmung – es war Teil eines kleinen metallverarbeitenden Betriebs. Um die Jahrhundertwende war es üblich, selbst industriellen Gebäuden märchenhafte Formen zu geben. So errichtete die Firma Juhl & Söhne in Rummelsburg einen Industriekomplex mit Werkstätten, Büros und Wohnräumen – und das in einem ansprechenden Design.

Aber wozu der Turm?

Der Turm diente als Werkstatt zur Herstellung von Schrot und Schrapnell. Flüssiges Metall nimmt in der Schwerelosigkeit eine kugelförmige Gestalt an, und genau dieser Effekt wurde bei der Produktion genutzt. Auf der Spitze des Turms wurde Blei in einem Ofen geschmolzen. Das flüssige Metall wurde dann durch ein Gitter mit Löchern in der gewünschten Größe gegossen. Die Bleitropfen fielen aus 40 Metern Höhe herab, kühlten allmählich ab und landeten in einem Wasserbecken am Boden des Turms.

Der Prozess war nicht nur interessant, sondern auch sehr mühsam. Damals gab es keine Aufzugsmechanismen, sodass die Arbeiter täglich bis zu zwei Tonnen Blei über steile Treppen nach oben tragen mussten. Eine schwere Arbeit!

Die Fabrik war bis 1939 in Betrieb. Dann kamen der Krieg und die Bombardierungen, später der Aufbau des Sozialismus. In der DDR wurde das Gebäude genutzt, um junge Gießer während ihrer praktischen Ausbildung zu schulen.

Heute steht der Turm unter Denkmalschutz. Am Tag der offenen Tür und am Internationalen Museumstag kann man das Gebäude besichtigen. Von der Spitze des Turms hat man einen atemberaubenden Blick auf Lichtenberg, die Rummelsburger Bucht und ganz Berlin.