Landschaftsmerkmale des Tierparks Berlin
Die Schaffung des Tierparks Berlin markierte einen Wendepunkt für seinen Gründer Heinrich Dathe. Auf dem historischen Park- und Schlossgelände Friedrichsfelde mit rund 60 Hektar Fläche lehnte er die Idee eines klassischen Zoos mit Käfigen ab. Stattdessen entwickelte er das Konzept eines Landschaftsparks für Tiere, in dem Grenzen nicht durch Gitter, sondern durch natürliche Barrieren wie Wassergräben und Geländeformen definiert wurden.
Die Planung orientierte sich am landschaftlichen Stil, der natürliche Formen nachahmt: weiche Linien, fließende Übergänge, fehlende harte Grenzen – all dies vermittelt den Besucher*innen das Gefühl, sich in einem natürlichen Raum zu befinden. Dieser Ansatz kontrastierte mit zeitgenössischen urbanistischen Prinzipien, die Modularität, klare Struktur und funktionale Zonen betonten.
Der Tierpark Berlin war eines der ersten Beispiele für biogeografische Zonierung. Tiere werden nicht nach Arten, sondern nach Ökosystemen präsentiert: Savannen, Gebirge, Tropen. Ein Spaziergang durch den Park wird so zu einer Reise durch unterschiedliche Naturzonen der Erde.
Ein zentrales Gestaltungsmittel war die Geoplastik – künstliche Landschaftsmodellierung. Hügel, Senken und Wasserflächen erfüllen mehrere Funktionen gleichzeitig:
- Verbergen von technischen Anlagen und Gehegegrenzen
- Schaffung von ständig wechselnden Perspektiven
- Nachahmung natürlicher Biotope für die Tiere
Besonderes Augenmerk liegt auf der visuellen Integration. Barrieren sind unauffällig: Gräben erscheinen als Bäche oder Täler, Felswände wirken wie natürliche Bestandteile der Landschaft. Wo Zäune unvermeidbar sind, werden sie thematisch gestaltet – z. B. Bambus in asiatischen Ausstellungen oder Felsenformen in Gebirgsausstellungen.
Aussichtsplattformen eröffnen Panoramablicke auf die Tiere und verbergen gleichzeitig die technische Infrastruktur. Einheitliche Farbgestaltung und natürliche Materialien (Stein, Holz, erdige Töne) verstärken den Effekt.
Abgerundet wird die Komposition durch Pavillons und Kleinstarchitektur, die Traditionen der Regionen zitieren, deren Ökosysteme gezeigt werden. Dies verstärkt den Bildungseffekt und vermittelt den Besucher*innen das Gefühl einer „Reise um die Welt“.
Der Tierpark Berlin ist somit nicht nur ein Zoo, sondern ein Landschaftskomplex neuen Typs: Ästhetik der Parkkunst, artgerechte Tierhaltung und immersives Erlebnis für Besucher*innen verschmelzen hier. Er gilt als Maßstab dafür, wie Landschaftsarchitektur gleichzeitig dem Tierkomfort und der Schaffung einzigartiger städtischer Kulturorte dienen kann.
Autoren: Landschaftsarchitektin Anna Khromova und Eduard Kichigin